2018-12-15

Punkt gewonnen, viel verloren

Das war irgendwie ein faszinierendes Spiel, spannend und komisch zugleich. Sicher kein guter Auftritt von Borussia, aber daran gemessen ein recht erfolgreicher und wichtiger, trotz der ungewohnten Nullnummer. 
Es war vor allem aber ein bitterer Nachmittag für die Gladbacher Ambitionen, sich mit der denkbar besten Ausgangsposition in die Winterpause zu retten. Lars Stindl wird in den restlichen beiden Spielen gegen Nürnberg und in Dortmund sicher fehlen, vielleicht darüber hinaus. Bei Raffael sieht es nach einer noch längeren Pause aus. Ein denkbar teurer Preis für einen Auswärtspunkt gegen einen Mitkonkurrenten um die europäischen Startplätze. 
Beide Spieler verletzten sich im Zweikampf mit ihren Gegnern, in beiden Fällen kann man den Hoffenheimern keinen Vorwurf machen, es war einfach unglücklich. Und nach heute wird wohl jeder Fan des VfL sich an die vergangene Saison erinnert fühlen. Speziell kurz vor der Winterpause, als etwa im Pokal gegen Leverkusen das "letzte Aufgebot" die Raute hochhalten musste.

Was schleichend mit Chris Kramer anfing, hat sich zu einer ernstzunehmenden Verletzungsserie ausgewachsen, die langsam bedrohlich werden könnte. Raffael, Stindl, Ginter, Kramer, Hofmann, Jantschke, Doucouré und Villalba - das lässt sich auch mit dem Gladbacher Kader nicht so leicht wegstecken. Aber es zwingt zu Überlegungen, die vor kurzem noch undenkbar schienen, und selbst Josip Drmic könnte noch einmal eine Rolle spielen. 

Doch erstmal zum Spiel heute. Das war von Beginn an sehr merkwürdig. Hoffenheim hatte den besseren Plan, begann sehr offensiv und beschäftigte die Gladbacher Schaltzentrale um Strobl und Elvedi mit ihrem laufintensiven Spiel so gut, dass es in den ersten zehn Minuten überhaupt keinen sinnvollen Spielaufbau aus der Abwehr heraus gab. Es schien, als versuche die Hecking-Elf das Spiel möglichst ruhig anzugehen, damit sich Innenverteidiger-Debütant Jordan Beyer an die Rolle gewöhnen konnte.

Der hatte allerdings, wie schon zu Beginn der Saison auf seiner angestammten rechten Abwehrposition, weniger Probleme als mancher der älteren Spieler. Lang und Wendt machten ihre Sache zwar unter dem Strich nicht schlecht, aber gegen schnelle Außen stoßen sie doch an ihre Grenzen, was dann die Innenverteidiger schnell in Nöte bringen kann. 
Doch auch Beyers Nebenmann Nico Elvedi zeigte vor allem in der ersten Halbzeit nervenstark und mit einer bärenstarken Zweikampfführung, dass er mit jedem Nebenmann gut zurecht kommt. Trotz 25 Torschüssen der Gastgeber, trotz der Häufung von erstklassigen Chancen von Hoffenheim, die letztlich alle ein Monsieur Sommer in Galaform und je einmal für ihn der Pfosten und Beyers Schulter zunichtemachten: Das Problem war heute nicht die kollektive Abwehrleistung. Es war das Spiel nach vorn, das über weite Strecken nicht stattfand. 

Klar, der VfL hatte seine guten Torgelegenheiten, bei denen die Ballführenden heute durchweg die falsche Lösung wählten. Doch bis auf eine kurze Phase nach der Halbzeit hatte Gladbach keine Spielkontrolle, um das eigene Spiel aufziehen zu können. Zurückzuführen war das kurzzeitige Hoch auf die Systemumstellung von Vierer- auf Dreier(Fünfer-)kette, aus der heraus Tobi Strobl das Spiel besser ordnen und die Bälle verteilen konnte. Doch fast alle Angriffsversuche endeten auch da mit Ballverlusten, wobei auch die feinsten Techniker wie Hazard oder Cuisance heute ungewohnt fehleranfällig waren.

Und so rollte dann doch eine Angriffswelle nach der anderen Richtung Sommers Tor, und der VfL durfte von Glück sagen, dass der Ball nach den zwei Abseitstoren in der ersten Hälfte nicht nochmal den Weg ins Tor fand. 
Spätestens nach einer Stunde mit Stindl Verletzung zeichnete sich ab, dass mehr als ein Punktgewinn nicht drin sein würde, dafür war die dezimierte Mannschaft heute offensiv nicht stark genug. Und als Raffael seinen Vier-Minuten-Einsatz mit schmerzverzerrtem Gesicht beendete und Gladbach die letzten 10 Minuten in Unterzahl überstehen musste, war klar, dass es nur darum gehen konnte, den Punkt irgendwie festzuhalten.

Dass das gelang und wie es gelang, das war das Positivste an diesem Spieltag. Denn obgleich ihrer spielerischen Stärke beraubt, stellte sich die Hecking-Elf auf das ungewohnte Spiel ein, rannte, kämpfte, foulte, wenn es sein musste und warf wirklich alles in die Waagschale, was sie hatte. Das war ein weiterer Charaktertest dieser Mannschaft und Beweis der Weiterentwicklung hin zu einem Team, das auch im Spiel schnell umschalten kann und seiner Rolle gerecht werden kann. Das wurde zu Recht mit einem Punkt belohnt, auch wenn Hoffenheim den Sieg sicher verdient gehabt hätte.

Natürlich ist das heutige Spiel dennoch nicht zufriedenstellend, nachdem wir bisher überwiegend spielerisch richtig gute Auftritte der Borussia gesehen haben. Aber wenn es sein muss, muss man eben auch da mal durch. Das meine ich damit, wenn ich sage, dass ich das Spiel faszinierend fand. Denn wenn wir uns erinnern, gingen ähnliche Spiele in den vergangenen Jahren regelmäßig verloren. Heute nicht, da hat der VfL seine Aufgabe erfüllt. Platz zwei verteidigt, einen Konkurrenten auf Distanz gehalten, eine richtige starke Offensive torlos bleiben lassen - und das auswärts. Das ist in Ordnung. Und sollten die Bayern bis nächste Woche noch an uns vorbeiziehen - was solls.

Wichtiger ist, dass die Kreativabteilung, die sich vorerst in den Krankenstand verabschiedet hat, schnell wieder zurückkehrt. Denn schon bei der Besetzung heute passte manches noch nicht so recht zusammen. Mickael Cuisance konnte aus meiner Sicht seine Startelf-Chance heute nicht so richtig für Eigenwerbung nutzen. In der ersten Hälfte fahrig und fehlerhaft, in der zweiten Halbzeit in der allgemeinen Mit-Mann-und-Maus-Verteidigung zu beschäftigt, um selbst kreativ und gefährlich zu werden. Das war nicht die Qualität, die er unbekümmert im vergangenen Jahr einfach so aus dem Fußgelenk schüttelte. Man merkt, dass er überlegt; dass er viel richtig machen, seine Chance nutzen will - aber dabei oft eben nicht präzise genug agiert. Unbezweifelt ist neben seinem Talent natürlich sein Fleiß und Einsatz. Heute war er hinter Neuhaus mit knapp 12,5 Kilometern zweitlaufstärkster Spieler.

Und nun? Jordan Beyer wird möglicherweise auch am Dienstag gegen Nürnberg wieder neben Elvedi auflaufen, das scheint auch kein so großes Risiko zu sein. Denn wenn Hecking stattdessen Strobl zurückzöge, machte er wiederum die Baustelle auf der Sechs auf, die Strobl bisher so gut beackert hat. Von Kramer gibt es noch keine Entwarnung, bis Dienstag ist nicht viel Zeit. Denis Zakaria käme nach der Sperre zwar zurück, er wäre aber für mich kein gleichwertiger Ersatz für Strobls starkes Staubsauger-Spiel.
Laszlo Benes gefiele mir da mit seinem verbindlichen Passspiel schon besser, aber ihm fehlt noch viel Spielpraxis. Und gemeinsam mit Neuhaus und Cuisance/Zakaria auf der Acht wäre das eine insgesamt sehr junge Zentralachse. Bin mir nicht sicher, ob das so funktioniert gegen einen eher robusten Gegner im Abstiegskampf.

Es ist aber auch noch etwas anderes denkbar. Denn zumindest gibt es noch genug Außenstürmer. Wenn man Plea in der Mitte setzt und aus der Gruppe Traoré, Johnson, Herrmann (oder Drmic) zwei über Außen kommen lässt, könnte man Hazard neben Neuhaus auf die Acht ziehen. Auf jeden Fall könnte es für Josip Drmic nach langer Zeit wieder einmal für einen Kaderplatz reichen. Ich würde mich für ihn freuen. Und dass er uns helfen kann, selbst wenn kaum einer an ihn glaubt, hat er letzte Saison ja zur Genüge gezeigt. 

So hat eben alles zwei Seiten. Vor kurzem machten wir uns noch Sorgen um die Laune und die mögliche Wechselwilligkeit von denen, die sich bisher nicht in die Startelf spielen konnten und geduldig bleiben mussten. Wenn diese Spieler es aber jetzt schaffen würden, die fehlenden Stammkräfte so zu ersetzen, dass die letzten beiden Spiele nicht zur Enttäuschung werden, wäre das ein weiterer Hinweis darauf, dass sich in Gladbach ein Spitzenteam formiert - eins, dass für (fast) alle Herausforderungen gewappnet scheint. In einer Woche wissen wir es.

Ach ja: Weil ich ja oft schimpfe, auch heute ein Lob an den Schiri. Benjamin Cortus pfiff sicher nicht fehlerfrei und blieb nicht immer ganz konsequent in seiner Linie, aber er was ein sicherer und unaufgeregter Leiter der Partie. Das galt nicht immer für seine Assistenten. Einmal wurde Hazard zu früh zurückgepfiffen und war gar nicht im Abseits, dann ließ der andere Assistent den Belgier bei einer recht deutlichen Abseitsstellung erst noch den Torwart umkurven und den Ball ins Tor schieben, bevor er die Fahne hob. Das war unnötig.


Bundesliga 2018/19, 15. Spieltag: TSG Hoffenheim - Borussia Mönchengladbach 0:0

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