2018-12-03

Unter den Möglichkeiten geblieben

Tja, das war eine große Chance, sich ein ganzes Stück von den Verfolgern in der Tabelle abzusetzen. Schade, aber dafür hat die Leistung von Borussia heute nicht gereicht. 

Wollte jemand wissen, was noch fehlt zur absoluten Spitze - gar zum Titelkandidaten? Das Spiel in Leipzig hat es mal wieder aufgezeigt. Nicht, dass der Gegner so viel besser gewesen wäre. Natürlich, sie waren aggressiver und geschickter in den Zweikämpfen, profitierten dabei auch von der etwas heimlastigen Zweikampfinterpretation des Referees Markus Schmidt. Die Gastgeber spielten ihre Angriffe auch ein Stück präziser aus als Borussia, und sie nutzten ihre Chancen, im Gegensatz zu Hazard, Stindl und Co. 
Das passiert, und da hinter dem VfL nur die Bayern (und natürlich RB) Punkte gutmachen konnten, ist die Niederlage auch nicht ganz so bitter, wie sie sich im ersten Moment anfühlte.

Aber was Borussia noch fehlt, zeigten einige Schlüsselszenen beispielhaft.

1) Der frühe Rückstand: Man kann Pech haben mit Bällen, die am Abwehrbein vorbei genau dem Gegner vor die Füße springen. Aber dass beim 0:1 sechs Gladbacher gegen zwei Leipziger den Kürzeren ziehen, ist nicht akzeptabel. Nicht in der dritten Minute und sonst auch nicht. Da muss im Zweifel wenigstens vor dem Strafraum ein Foul gelingen, um den Abschluss zu verhindern. Zumal Gegentore dieser (zu leichten) Kategorie schon zu häufig gefallen sind in dieser Saison.

2) Das 0:2. Schon wenige Sekunden vor dem Gegentor spielte der VfL auf Zeit, wollte offensichtlich nichts mehr riskieren vor dem Halbzeitpfiff. Dann aber doch noch der schnelle Pass nach vorn - und der Ballverlust - der Gegenzug - und damit auch schon so etwas wie die Vorentscheidung am heutigen Tage. Das kann alles passieren. Darf aber nicht, vor allem, wenn ich schon zurückliege. Das war einfach dumm und passte nicht zum ansonsten trotz des hohen Pressingdrucks recht abgeklärten Auftritt der Mannschaft von Dieter Hecking.

3) Überhaupt die Cleverness. Eine Szene von Zakaria im Strafraum, eine von Plea im Eins-gegen-Eins beim Konter - zwei Beispiele, wie man zu brav ist und Chancen verschenkt, gerade in so einem Spiel, wo es den Borussen nicht so leicht von der Hand bzw. vom Fuß ging wie zuletzt. 
Szene 1: Zakaria kommt im Strafraum gut durch, könnte von der Torlinie zurückspielen, bekommt den Ball aber noch abgegrätscht. Mit etwas besserer abschirmender Fußstellung zum Ball hätte ihn der Abwehrmann nur foulen können, ein Elfmeter wäre die Folge gewesen. 
Szene 2: Plea ist im Laufduell eigentlich schneller, sein Gegenspieler zerrt an Schulter und Trikot, aber Plea fällt nicht. Das ehrt ihn, aber es war eine klare Geschichte: Es hätte für den Gegner als letzten Mann mindestens Gelb geben müssen. Stattdessen kommt Leipzig in Ballbesitz, die Chance ist dahin. Ich bin nicht dafür, dass man sich fallen lässt, wo es nicht sein muss. Aber hier wäre es in beiden Fällen angemessen gewesen, das Foul zu ziehen.

4) Die Nachrücker. Ja, Borussia hat einen tollen Kader. Und man kann jeden unbedenklich bringen. Aber: Manche Positionen und manche Stammspieler sind nicht Eins-zu-Eins zu ersetzen. Tony Jantschke hat für mich heute eine gute Partie abgeliefert. Aber er ist nicht der "erste Spielmacher" aus der eigenen Hälfte heraus wie Ginter, der auch mal einen Pass diagonal über 50 Meter in den Fuß des eigenen Mannes spielt. Er ist auch nicht die Offensiv-Standard-Waffe, die bei Eckbällen oder Freistößen Gegner bindet oder selbst torgefährlich wird. Das muss sich nicht auswirken, etwa wie gegen Hannover. Aber es kann der Tick sein, der vielleicht fehlt -so wie heute. 
Das gleiche gilt für Denis Zakaria, der sich unglaublich bemühte, viele Bälle schleppte, Bälle sicherte, gute Angriffe einleitete oder selbst versuchte, gefährlich in den Strafraum zu kommen. Aber: Jonas Hofmann ist beweglicher, handlungsschneller, laufstärker und laufeffektiver und er spielt die besseren Pässe in die "Todeszone". Wer davon profitiert, ist klar: Plea, der in den vergangenen beiden Spielen fast nie in so gute Positionen kam wie in den Spielen zuvor. Auch für Hazard ist es besser, wenn nicht jeder Angriff über ihn eingeleitet werden muss. Denn dann wird er ausrechenbar und verliert viel von seiner Brillanz. Gerade gegen Leipzig wäre also Hofmanns Beitrag für das Spiel sehr wertvoll gewesen. Da wo Zakaria Platz braucht, um anzulaufen, dreht sich Hofmann viel geschmeidiger und auf engerem Raum. Erst als Cuisance auf dem Feld war, der ähnlich veranlagt ist, wurde Borussia schlechter ausrechenbar und auch nochmal etwas gefährlicher.

Das soll nicht heißen, dass Jantschke und Zakaria die Sündenböcke wären. Ganz und gar nicht. Aber: Oft sieht man erst dann, was ein Spieler auf dem Platz ins Team einbringt, wenn er fehlt. Was heute dazu kam, war, dass von der Bank nur sehr ähnliche Spieler kommen konnten: Traoré, Johnson, Raffael, Cuisance, Benes. Da ist keiner, der als Brecher nochmal in eine Schlussphase geworfen werden kann. Kein Drmic auf der Bank, der ja schon öfter bewiesen hat, dass er auch als Joker treffen kann. Dass die anderen den Vorzug erhalten, ist sicher nachvollziehbar. Aber man ist dann mitunter nicht für alle Herausforderungen so gewappnet, wie man es sein könnte.

Was solls. Den freudlosen Ausflug in den Dauerregen und zu diesem Publikum sollte man möglichst schnell abhaken. Natürlich nicht, ohne sich klarzumachen, dass genau das zu sehen war, was den Unterschied ausmacht. Kommst du in einem Spiel nicht an deine Leistungsgrenze, verlierst du in dieser Liga. Das war in Berlin so, in Freiburg und das galt heute auch, was unter anderem an der Laufleistung (122,22 zu 119,70 Kilometer für Leipzig) ablesbar war.

Ein paar Worte will ich noch zu dem erneuten Fanprotest loswerden. Ich verstehe das, was dahinter steht, ja vollkommen. Aber eine Halbzeit durchzupfeifen, ist einfach nur hanebüchen. Ich schrieb das beim letzten Mal glaube ich auch schon. Es schadet nicht dem Gegner, die anderen Fans (zumindest die Leipziger) solidarisieren sich ohnehin nicht mit dem Protest. Der Mannschaft hilft es selbstredend auch nicht weiter. Es geht einem nur auf die Nerven. Also was tun? Ich weiß es nicht. Was ich weiß, ist, dass es niemanden von den Entscheidern in der Liga im geringsten juckt, dass der Gladbacher Fanblock sich und anderen in Leipzig eine Dreiviertelstunde die Ohren zugedröhnt hat. Schade drum.

Bundesliga 2018/19, 13. Spieltag: RB Leipzig - Borussia Mönchengladbach 2:0

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