Nachdem ich im ersten Teil meiner Zwischenbilanz Torleute und Verteidiger gemeinsam abgehandelt habe und dabei ein schon sehr langer Text herausgekommen ist, musste ich mir für die offensiven Mannschaftsteile eine sinnvolle Teilung überlegen. Trennen lassen sich Mittelfeld und Angriff bei Borussia aber auch nicht so recht, weil sich viele Spieler in beiden Mannschaftsteilen bewegen.
Also habe ich mich dafür entschieden, die Stammspieler von denen zu unterscheiden, die bisher nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Dort wäre dann auch die Frage anzusiedeln, wer den VfL vielleicht verlässt, ob nun zur Leihe oder endgültig - und wie diese Kaderplätze in diesem Fall besetzt werden könnten.
Auch wenn es verletzungsbedingt zuletzt etwas anders aussah, gehe ich dafür von der bewährten Stammelf mit Strobl auf der Sechs, Hofmann und Neuhaus auf den Achterpositionen und dem Dreiersturm mit Hazard, Stindl und Plea aus. Für den Teil der Stammspieler habe ich zudem einfach die insgesamt gespielten Minuten in dieser Saison zugrundegelegt. Kramer und Herrmann gehören mit insgesamt gerade mal vier kompletten Spielen Einsatzzeit eigentlich schon gar nicht mehr dazu.
Mittelfeld
Dass Borussia ein für junge Spieler sehr durchlässiger Verein ist, stimmt einerseits, andererseits auch nicht. Aus der eigenen Jugend hat sich außer Dahoud und jüngst Beyer keiner in der Bundesliga festspielen können. Dennoch haben sich (eingekaufte) junge Spieler immer wieder bei Borussia durchsetzen können. In der vergangenen Saison waren das Denis Zakaria und Mickael Cuisance, die viel mehr Einsatzminuten sammeln konnten als sie sich wohl selbst ausgerechnet hatten.
Das hatte zu einem großen Teil aber schlicht mit dem verletzungsbedingten Ausfall von Spielern wie Tobias Strobl und Jonas Hofmann zu tun. Beide sind in dieser Saison wieder da und spielen eine wesentliche Rolle beim Aufschwung der Mannschaft. Und das, obwohl ihnen dies kaum jemand zugetraut hatte. Tobi Strobl hat selbst in diesem Jahr gesagt, dass er bei vielen immer "unter dem Radar" fliegt. Bis heute. Auch ich hatte ihn bis zum Saisonbeginn eher als Backup für Kramer oder die Innenverteidiger gesehen. Er hat eindrucksvoll gezeigt, dass er mehr ist als das. Strobl ist durch seine Körperlichkeit ein guter Spieler, um lang geschlagene Bälle in der Mitte der eigenen Hälfte abzuwehren oder zu sichern. Er ist ein guter Zweikämpfer und kann mit sauberen Grätschen viele Situationen klären, bevor sie gefährlich werden. Er hat ein gutes Auge, wo sich für den Gegner Räume auftun, die es zuzulaufen gilt. Zu Beginn der Saison lief das im Zusammenspiel mit der neuen Innenverteidigung noch nicht immer glatt. Doch seit Strobl am 8. Spieltag nach drei Spielen Pause wieder ins Team kam, schwang er sich immer besser zum Dreh- und Angelpunkt des Aufbauspiels auf. Er wurde auch für das eigene Angriffsspiel immer wichtiger, spielte präzise lange Bälle, taktete und verlagerte das Spiel und setzte seine Offensivspieler dabei häufig sehr clever ein. All das sorgte dafür, dass Christoph Kramer die meiste Zeit auf der Bank verbrachte.
Ähnlich wenig Kredit wie der in der kompletten vergangenen Saison verletzt fehlende Strobl hatte Jonas Hofmann bei vielen Fans vor der Saison. Viele Verletzungen, wenige richtig gute Auftritte und wenig Torgefahr zeichneten für diesen Eindruck verantwortlich, wenngleich sein technisch feiner Fußball und sein Talent unübersehbar waren. Ihm eine der beiden neuen Achterpositionen anzuvertrauen, das war wohl der beste taktische Schachzug von Dieter Hecking. Statt auf außen zu verhungern und sich in Zweikämpfen an der Außenlinie aufzureiben, kann Hofmann hier die gesamte Breite des Spielfeldes nutzen.
Dass er bis zu seiner Verletzung der deutlich laufstärkste Spieler der ganzen Liga war, dabei endlich torgefährlich auftrat und als Vorbereiter glänzte, konnte niemand mehr übersehen - genauso wichtig war aber auch sein Einsatz in der Rückwärtsbewegung mit vielen Balleroberungen, mit denen er gefährliche Gegenangriffe inszenierte.
Der einzige, dem das offensichtlich noch nicht ausreichte, war der Bundestrainer. Aber vielleicht ist das auch ganz gut so und wir sehen in der Rückrunde nochmals einen so starken und eben nicht überspielten Jonas Hofmann bei Borussia. Was dem VfL im Moment ohne Hofmann an Überraschungsmoment fehlt, war in den vergangenen Spielen des öfteren zu sehen.
Der Ex-Dortmunder hätte allerdings auch nicht so auftrumpfen können, hätte er nicht einen so passenden Nebenmann wie Florian Neuhaus gehabt. Der wurde einerseits auch von Hofmann geführt, schwamm sich aber schnell frei. Neuhaus ist nicht nur ein sehr durchsetzungsstarker Mittelfeldspieler, der keinem Zweikampf aus dem Weg geht. Er hat zudem in seinem Alter schon ein herausragendes Auge für den Mitspieler und legte auf diese Weise seinen Kollegen schon unglaubliche acht Tore vor.
Zum Schluss war ihm anzumerken, dass Kräfte und Konzentration etwas schwanden, die wechselnden Partner neben ihm mögen auch einen Teil dazu beigetragen haben. Doch das sollte mit ein bisschen Erholung in der Winterpause wieder wettzumachen sein. Florian Neuhaus scheint in seiner Entwicklung jedenfalls schon deutlich weiter zu sein als Zakaria oder Cuisance, was sicher auch mit seiner tollen letzten Zweitligasaison und dem Aufstieg der Düsseldorfer zu tun hat. Hoffen wir, dass er die reifen Leistungen aus der Vorrunde auch in der zweiten Saisonhälfte bestätigen kann.
Auch Denis Zakaria spielte eine wichtige Rolle in der zweiten Jahreshälfte. Allerdings war er meist nur erste Einwechseloption auf der Sechs oder der Acht. Und gerade mit der offensiveren Rolle hat er noch seine Schwierigkeiten. Das liegt auch an seiner raumgreifenderen Spielweise, bei der er den Ball oft nicht eng am Fuß führt wie Neuhaus oder Hofmann, sondern ihn lieber mit Dynamik und dem langen Bein am Gegner vorbeilegt. Dieser Raum wird ihm aber in der Hälfte des Gegners, zumal kurz vor dem Strafraum, kaum gegeben. Zakaria ist also häufig nicht so effektiv wie seine Konkurrenten auf der vorgelagerten Position. Dazu kommt nach wie vor ein etwas zu ungestümes Zweikampfverhalten, bei dem enge Grätschen oft gegen ihn ausgelegt werden. Fünf Verwarnungen in 15 Einsätzen, das ist exakt die gleiche Bilanz wie zur Saison-Halbzeit im vergangenen Jahr. Für jemanden, der auf der zweikampfgeprägten Sechser- und Achterposition spielt, ist das gefährlich viel. In der vergangenen Saison sammelte der Schweizer am Ende elf Verwarnungen und verpasste so gleich zwei Spiele durch Sperren. Zum Vergleich: der ebenfalls sehr robust dazwischenfunkende Tobias Strobl hat bis jetzt erst zwei Gelbe Karten - weil er oft andere Lösungen findet, bevor er den enteilenden Spieler foulen muss.
Für Christoph Kramer ist es ein gebrauchtes Jahr gewesen. Schon in der Rückrunde der vergangenen Saison konnte er sich nicht so in Szene setzen, dass er vielleicht doch noch auf den WM-Zug aufspringen konnte. Und in dieser Saison blieb es für den Weltmeister bei mageren fünf Einsätzen in der Liga. In denen zeigte er durchaus Ansprechendes, die Leistungen gegen Frankfurt, Bayern und zuletzt Dortmund (obwohl er nicht fit war) bewiesen, dass Gladbach auf der Sechserposition ein Luxusproblem hat - sofern alle gesund sind. Doch Strobl war für Hecking offenbar das etwas bessere Gesamtpaket. Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob es anders gewesen wäre, wenn Kramer sich nicht verletzt hätte. Genauso spannend, ob zur Rückrunde die Karten neu gemischt werden. Ich glaube derzeit nicht daran.
Angriff
Lars Stindl ist als Kapitän natürlich die Integrationsfigur auf und neben dem Platz. Sportlich hinkte er der herausgehobenen Rolle diesmal etwas hinterher. Denn als er noch verletzt fehlte, fand sich die Offensivreihe schnell auch ohne ihn zusammen. Und als er gegen die Bayern furios zurückkam und in den folgenden Wochen einige hervorragende Spiele ablieferte, war die Freude groß. Doch sie währte nur bis zum Spiel 15. Da warf ihn - im neunten Spiel nach seinem Comeback (davon nur drei über 90 Minuten) - die nächste Verletzung aus der Bahn. Rechnet man nur die gespielten Partien, überzeugte Stindl wie eh und je durch Laufstärke, bissige Zweikämpfe und tolles Spiel nach vorn. Die Hälfte der Hinserie allerdings fand ohne ihn statt, was ihn selbst am meisten wurmen wird. Dennoch: Ob im Zusammenspiel mit Plea und Hazard ganz vorne oder auf der Acht - der Kapitän ist als Teil des Gladbacher Offensivspiels eigentlich unverzichtbar.
Alassane Pléa - ein Name, der Gladbach-Fans schwärmen lässt. Der erhoffte Knipser, der Mittelstürmer, den man seit gefühlt mehreren Jahrzehnten herbeisehnt - das ist der Franzose ohne Zweifel. Und er löste mit neun Toren und drei Assists dieses Versprechen ein. Was er kann, war vom ersten Moment zu sehen. Ein geschmeidiger Stürmer, der kaum vom Ball zu trennen ist, der zielstrebig den Abschluss sucht und nach einer kleinen Körpertäuschung auch präzise von außerhalb des Strafraums treffen kann - das ist eine Qualität, die Borussia in den vergangenen Jahren etwas abging. Weder Hazard noch Stindl oder Raffael haben diese Handlungsschnelligkeit, wie sie Plea etwa bei seinem Schlenzer zum 1:0 gegen die Bayern zeigte. Dazu kommt aber noch etwas anderes: Der 25-Jährige stellt sich vollkommen in den Dienst der Mannschaft, auch wenn das bedeutet, unter Dauerdruck wie gegen Hoffenheim teilweise als Verteidiger mitzuschuften. Das kostet natürlich Kraft. Die Lücken, die diverse Verletzungen im Laufe der Hinrunde rissen, hatte deshalb letztlich auch Einfluss auf Pléas Bilanz. Die Frische schien ihm zum Schluss doch ab und an zu fehlen, sonst hätte er sich gegen Dortmund vor dem 1:2 am gegnerischen Strafraum vielleicht auch nicht so (regelwidrig) abkochen lassen. Es wäre sicher nicht schlecht gewesen, wenn Dieter Hecking dem Franzosen ab und zu eine kleine Pause hätte geben können. Aber auch so war es eine hervorragende Hinserie für den Neuzugang.
Über Thorgan Hazard muss nicht viel gesagt werden. Er hat seine Leistungen sprechen lassen. Deutlich effektiver als in jeder Saison zuvor, ein unermüdlicher Antreiber und Vorbereiter, ein brillanter Eins-gegen-Eins-Spezialist, ein eiskalter Vollstrecker, selbst wenn er vom Elfmeterpunkt gleich zwei Fehlschüsse zu verzeichnen hatte. Nach 17 Spielen hat er schon 9 Tore und 6 Assists (3 Elfmeter), in der gesamten letzten Saison waren es in 34 Spielen 10 und 7, wobei 5 Tore aus Elfmetern resultierten. Der Belgier ist an einem Punkt angekommen, wo wir mit einem lachenden und einem weinenden Auge zuschauen können und müssen. Denn es wird ziemlich sicher die letzte Rückrunde sein, die Thorgan bei Gladbach spielen wird.
Dann ist da noch der Wanderer zwischen den Welten: Fabian Johnson,
der entweder als Linksaußen oder als rechter Verteidiger zum Einsatz
kam, auf beiden Positionen aber naturgemäß viel Mittelfeldarbeit
verrichtet. Fleißig und bissig ist der 30-Jährige nach wie vor. Doch
nachhaltig aufdrängen oder besonders auffallen, das gelang ihm nicht.
Solide Leistungen, aber keine, die die vergessen ließen, für die er
eingewechselt wurde. Es ist für mich nicht ganz klar, ob Johnson in
dieser Mannschaft an seine Grenzen stößt oder ob ihn vielleicht wie
schon in der Vorsaison immer wieder mal der Rücken plagt und
Höchstleistungen verhindert. Vor der Form, die er vor seiner
Leidenszeit hatte, ist der US-Amerikaner heute leider weit entfernt.
Bei Patrick Herrmann ist seit einigen Jahren immer wieder die gleiche Frage, die uns Fans bewegt. Packt er es wieder oder nicht? Wie bei Fabian Johnson ist auch beim Flügelflitzer auf der anderen Seite Stagnation zu erkennen, die ihren Hauptgrund wahrscheinlich in den schweren Verletzungen haben, die beide Spieler über Jahre immer wieder erlitten haben. Der Herrmann von heute ist nicht mehr der geradlinige Sprinter, dafür hat er andere Vorzüge, etwa größere Ballsicherheit, weniger Hektik am Ball. Doch weil Borussia gerade auf den Außenpositionen sehr stark besetzt ist, gab es für Flaco zuletzt selten die Möglichkeit, sich mal in der Stammelf festzuspielen. Wenn er dabei war, wie zu Saisonbeginn, zeigte er auch seine Gefährlichkeit. Als Einwechselspieler am Ende der Hinrunde war er dann schon nicht mehr so effektiv. Eine grundlegende Änderung seiner Situation ist nicht absehbar, sein Vertrag läuft aus - beide Seiten müssen sich also Gedanken machen, wie es weitergehen soll. Und so sehr ich an ihm hänge, als neben Tony Jantschke letztem treuen Vertreter der Vor-Favre-Ära: Ich glaube, dass Patrick Herrmann eine neue Herausforderung suchen wird und muss.
Das waren die Spieler, die bislang die meisten Einsatzminuten in Mittelfeld und Angriff zu verzeichnen hatten. Im dritten Teil wird es dann um die gehen, die da nicht mithalten konnten - was bei einigen durchaus überraschend ist und Fragen über die Zukunft bei Borussia über die Saison hinaus aufwirft. Es geht dann um Ibrahima Traoré, Raffael, Mickael Cuisance, Josip Drmic, Julio Villalba, Keanan Bennetts, Torben Müsel und László Benes.
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